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Grundlagen der Gerätetechnik und Physik


Mythos Vereiser

Im Vorhinein ist zu erwähnen dass der Lungenautomat bei jedem Atemzug eine Meisterleistung an Hebeltechnik vollzieht. Er steuert mit einem Einatemwiderstand von ca. 20 Millibar (0,020 bar) ein Ventil, das gegen einen Flaschendruck bis zu 300 bar dicht hält! Dabei wird der Druck der Einatemluft noch in den jeweiligen Umgebungsdruck umgewandelt. Die Luft wird gefiltert, und in genau der Menge abgegeben, die wir benötigen.

Hierbei dürfte es verständlich sein, dass bei diesem „Atemprozess“ physikalische Gesetze zu tragen kommen, die dazu führen können das es zu dem berüchtigten „Vereiser“ kommt. Worüber viel geredet wird aber dennoch dessen Hintergründe und Ablauf eher unbekannt sind. Diese Unwissenheit nutzt unter anderem die Tauchsport – Industrie für strategische Werbeaussendungen wie „Besonders leistungsfähiger, kompensierter Lungenautomat“ “ Vereisungssicher wegen Membransteuerung“ „Absolut zuverlässig wegen Kolbensteuerung“ usw. usf. Durch die eigene Unwissenheit vieler Taucher und auch Tauchlehrer haben sich im Laufe der Jahre viele unlogische Theorien über die Vereisung von Lungenautomaten ihren Weg in die Tauchsportszene gebahnt.  Hängengeblieben ist zumindest Ansatzweise das Verständnis für den Joule-Thomson Effekt. Aktuell werben diverse Hersteller noch immer für ihre Vereisungssicheren Atemregler und stellen teilweise Theorien auf die uns Vergleichsweise in unserem Zeitalter glaubhaft machen wollen die Erde sei doch eine Scheibe.

Wie groß die Angst vor einem Vereiser unter Tauchern ist, zeigt unter anderem auch dass viele Tauchlehrer diverser Organisationen in unseren Gewässern keine Ausbildungen unter 20m durchführen. Aus Sicherheitsgründen natürlich. Dennoch, oder vielleicht deswegen, trifft man immer wieder Taucher die auf 40m Zertifiziert sind aber weder die Fertigkeiten noch das Wissen besitzen um tiefe Tauchgänge im Kaltwasser sicher durchzuführen. Ein paar weitere Gründe für die Angst vor dem Vereiser sind auch die Unwissenheit, die vielen Gerüchte um das Vereisen sowie das Taucher sich oft selber in Bereichen bewegen wo ihnen oder ihrem Tauchpartner im Ernstfall die Fertigkeiten und die Taucherfahrung fehlen. Aber wie heißt es oft: „Im Notfall einfach das Blei abwerfen!“

Das man aus einem vereisten und abblasenden Gerät weiteratmen kann, wie es vielfach gelehrt wird, ist nur in den Anfangsstadien möglich. Nach ein paar Atemzügen ist der Abströmdruck so groß das es sogar dazu kommen kann das der Taucher den Regler nicht mehr im Mund behalten kann. Wichtig bei einem Vereiser ist es den Luftström zu unterbrechen, damit es zu keiner weiteren Abkühlung kommt und die Eiskristalle schmelzen können. Die durch die Vereisung entstehenden und sich mit hoher Geschwindigkeit bewegenden Eiskristalle können auf Dauer das Gerät bzw. die Dichtungen beschädigen (dieser Prozess ist mit einem Sandstrahlen zu vergleichen) und das Gerät ist auch nach dem „Abtauen“ nicht mehr Einsatztauglich und bläst weiter ab.

Es sei hier auch kurz angemerkt, dass ein Taucher z.B. nicht zwingend die Unterschiede zwischen einer inneren und einer äußeren Vereisung wissen muss. Wir, der EOBV, bilden unsere Taucher entsprechend unserem Ausbildungssystem intensiver aus und fordern spätestens ab dem Tauchgruppenleiter Niveau eine komplette Kenntnis der Grundgesetze und Vorgehensweisen. Diese Grundlagen befähigen den Sporttaucher den weiteren Weg zum Tauchlehrer, Forschungstaucher, Ingenieurstaucher etc. zu beschreiten. Des weiteren schafft eine fundierte Ausbildung ein sicheres Tauchverhalten welches unsere Tauchlehrer dazu befähigt Ausbildungen auch in großen Tiefen sicher durchzuführen.

Adiabatische Kompression

Wie wir es bereits aus unserem Tauchgrundkurs wissen wächst bei konstantem Volumen der Druck einer gegebenen Gasmenge im gleichen Verhältnis wie die absolute Temperatur (Gesetz von Gay-Lussac). Das bedeutet für uns Taucher nicht nur das durch wärme der Druck in der Flasche steigt sondern auch vereinfacht dass sich eine Tauchflasche beim Befüllen erwärmt. Wovon sich jeder Taucher selber Überzeugen kann. Grund dafür ist die schnellere Bewegung und die Reibung der Moleküle, die durch die Befüllung zunehmend weniger Raum in der Tauchflasche zur Verfügung haben. Diesen thermischen Effekt nennt man auch eine „Adiabatische Kompression“.

Joule-Thomson Effekt

Der Joule-Thomson Effekt ist ein thermischer Effekt beim Entspannen von Gasen an einer Drossel. Dieser besagt im kurzen zusammengefasst dass „Gase beim Entspannen an der Drossel Abkühlen“. Dieser thermodynamische Effekt wird in allen Tauchorganisationen in der Theorie vermittelt und allgemein als der Grund für eine Vereisung angepriesen. Das dies nicht ganz der Richtigkeit entspricht dürfte einem bei näherer Betrachtung ins Auge fallen. Vielmehr ist ein Vereiser ein Zusammenspiel aus mehreren Faktoren wie Flaschendruck, Material, Temperatur, Feuchtigkeitsgehalt, Atemfrequenz, Technik, Reinheit des Gerätes (Feuchtigkeit, raue, verschmutze Oberflächen im inneren,..), usw..

Beispiel: Ein Dachdecker der seine Flämmarbeiten verrichtet wird davon berichten können, dass es bei seiner Propangasflasche oft zu einer Eisbildung an der Außenseite des Flaschenbodens kommt, welcher Regelmäßig kurz erwärmt werden muss um den Flaschendruck einigermaßen aufrecht zu erhalten. Das Augenmerk liegt hier auf dem Bereich wo diese Vereisung stattfindet, dem Flaschenboden! Wäre lediglich der Joule-Thomsen Effekt Grund für die Vereisung, so müsste die Flasche vom Ventil weg, also an der Drossel, vereisen und nicht wie in der Praxis vom Flaschenboden nach oben hin. Das ist ein Beispiel für das Verständnis einer Adiabatischen Expansion.

Daher unterscheiden wir auch beim Tauchen zwischen zwei Grundlegenden Arten von Vereisungen. Der sogenannten „Inneren Vereisung“ und der sogenannten „Äußeren Vereisung“. Eine Innere Vereisung unterliegt vieler Meinungen hingegen nur bedingt dem Gesetz von Joule-Thomson, da die Gase erst nach dem Sinterfilter an der Drossel Entspannen und Abkühlen. Diese Abkühlung kann aber das Material vor der Drosselung ebenfalls soweit abkühlen das eine Innere Vereisung dadurch begünstigt wird. Für den Taucher ist es unter Wasser aber nicht wichtig zwischen einer Inneren und einer Äußeren Vereisung unterscheiden zu können.

Der Joule-Thomson Effekt besagt das die größte Abkühlung der Pressluft unter Laborbedingungen bei 160bar am Druckminderer, also ca. 170bar Flaschendruck, stattfindet und in diesem Bereich die Gefahr einer Vereisung am größten ist. In der Tat passieren Vereisungen meistens im Anfangsstadion eines Tauchganges. Was aber auch oft auf eine Überfordertheit des Tauchers und der erhöhten Atemfrequenz zurückgeführt werden kann.

Adiabatische Expansion

Wie vorhin schon erwähnt erwärmt sich eine Tauchflasche beim Befüllen, Grund dafür ist das sich die Moleküle der Luft in der Flasche auf Grund des abnehmenden Bewegungsfreiraum immer mehr und schneller aneinander Reiben und so Wärme erzeugen. Der gegenteilige Effekt ist die adiabatische Expansion. Hierbei kühlt die Luft in der Flasche ab, da mit jedem Atemzug mehr Raum in der Flasche zur Verfügung steht, welchen die anderen Teilchen einnehmen. Die Wärme in der Flasche muss jetzt plötzlich den fehlenden Platz, den des herausgeatmeten Anteiles, einnehmen und es kommt zu einer Abkühlung im Raum. Man kann es so Vergleichen das sich in einem Zimmer, in dem 100 Menschen stehen, allmählich durch den Platzmangel wärme entstehen und breit machen wird. Der Raum erwärmt sich. Schickt man nun die Hälfte der Menschen hinaus, so muss der plötzlich zur Verfügung stehende leere Raum mit der vorhandenen Wärme aufgefüllt werden, dadurch kommt es kurzzeitig zu einer Abkühlung im Raum. Dem Raum wird wärme Entzogen!

Innere Vereisung

Als Innere Vereisung bezeichnen wir ein Vereisen des Gerätes auf Grund der Abkühlung der Luft durch das Einatmen bzw. Herausnehmen der Luft aus der Tauchflasche. Diesen thermodynamischen Effekt nennt man eine „Adiabatische Expansion“. Fachlich bezieht sich eine Innere Vereisung auf die Tauchflasche bis in den Sinterfilter der 1. Stufe des Lungenautomaten. Nach dem Sinterfilter und der Entspannung und Abkühlung der Luft an der Drossel wird das Vereisen als „Äußere Vereisung“ bezeichnet. Je nach Feuchtigkeitsgehalt der Luft kann aber die enorme Abkühlung an der Drossel und die dadurch gegebene Abkühlung des Materiales eine Innere Vereisung bzw. das Kristallisieren der Luft am Sinterfilter begünstigen. Das Ventil wird durch die sich im Druckminderer entspannende Luft abgekühlt, wodurch die nachströmende Luft ebenfalls abgekühlt wird. Durch diese Abkühlung am Ventil kondensiert der Wasserdampf in der Druckluft beim Durchströmen des Ventils. Die durch die niedere Temperatur entstehenden Eiskristalle werden vom Sinterfilter im Eingang der ersten Stufe aufgefangen und können es soweit zusetzen, dass die Luftzufuhr unterbrochen wird.

Die innere Vereisung tritt am Sinterfilter im Eingang des Druckminderers oder auch schon am Sinterfilter der Pressluftflasche auf, wenn dieser verschmutzt ist und bereits ein Druckgefälle erzeugt. Voraussetzung für das innere Vereisen des Automaten ist eine relativ feuchte Luft in der Druckluftflasche. Nun erfolgt keine weitere Entspannung der Druckluft mehr, der Wärmeentzug entfällt. Die Eiskristalle schmelzen, bis die Luft wieder strömen kann. Dadurch, dass dieser Vorgang mehrmals in schneller Folge auftritt, kann der Automat ganz blockieren oder auch nur noch stoßweise Luft liefern.

Abhilfe ist möglich durch die Nachtrocknung der Luft am Filter des Kompressors, wobei der Restwassergehalt der Luft gem. EN 12021 auf 25 mg/m3 gesenkt wird. Das hat auch den Vorteil, dass die Stahlflaschen innen nicht rosten.

Nach Entspannung der Luft auf den Mitteldruck kommt es nicht mehr zur inneren Vereisung, da die sich auf ein vielfaches Volumen ausdehnende Pressluft dabei sehr trocken wird. Der Taupunkt, also der Punkt, bei dem Wasser aus Luft ausfällt, liegt bei -20 bis -30°C. Erst unterhalb dieser Temperatur können Eiskristalle auftreten.

Äußere Vereisung

Bei niedriger Wassertemperatur und großer Luftentnahme (z.B. hastiges, schnelles Atmen und gleichzeitiges Betätigen des Inflators) wird so viel Wärme entzogen, dass die Kolben- und Gehäusetemperatur unter den Gefrierpunkt fällt. Das Wasser in der Wasserkammer kann dann gefrieren und Kolben- bzw. Membrane blockieren. Da diese Blockade während der Einatemphase erfolgt (nur dabei wird ja die Wärme entzogen), wird der Automat abblasen, da das Ventil nicht mehr schließt. Durch das Abblasen wird weitere Luft entspannt und Wärme entzogen, so dass die Temperatur weiter sinkt. Ein so blockierter Automat wird bis zur völligen Entleerung der Flasche abblasen. Das Abblasen der Luft über die 2. Stufe ist eine Sicherheitseinrichtung und nennt sich „Fail Safe“.

Abhilfe: Ventil kurz schließen und warten, bis das Eis geschmolzen ist. In dieser Zeit Wechselatmung mit dem Partner. Dabei besteht durch die doppelte Luftentnahme auch bei ihm eine grosse Vereisungsgefahr. Sicher ist dabei nur ein kompletter 2. Automat (nicht nur eine 2. Stufe als Oktopus!) mit getrenntem Abgang. Da die Praxis zeigt das beim Wechsel auf die zweite getrennte Stufe diese durch die vorhandene Abkühlung und die durch den Stress erhöhte Atemfrequenz in der Regel ebenfalls vereist sollte aus Sicherheitsgründen die Tauchtiefe verringert werden. Technische Taucher sichern sich diesbezüglich gesondert ab. Abhilfe ist möglich durch eine spezielle Eisschutzkappe (Antifreeze cap) und eine Füllung der Wasserkammer mit Silikonöl oder Glysantin. Es verhindert das Gefrieren und Blockieren von Kolben bzw. Membrane. Bei Automaten der Firma Sherwood wird durch eine feine Bohrung dauernd Luft aus dem Mitteldruckraum in die Wasserkammer der 1. Stufe geleitet. Dadurch wird dort keine Vereisung erfolgen können. Das hilft natürlich nur gegen Vereisung an dieser Stelle. Die so oft gepriesene absolute Vereisungssicherheit gibt es nicht!

Weniger gefährdet gegen äußeres Vereisen sind membrangesteuerte Automaten, da die Gummimembrane auch eine thermische Isolierung darstellt.

Besonders gefährdet sind dagegen kolbengesteuerte Automaten mit durchströmten Kolben. Dort ist die kalte Luft nur durch die dünne Wandung des Kolbens von der Wasserkammer getrennt. Diese Automaten sollten generell vor Vereisung geschützt werden.

Vereisung der 2. Stufe

Das Druckgefälle in der 2. Stufe ist geringer (max. 15 auf 1 bar). Die Oberfläche dieser Stufe ist verhältnismäßig groß und wird außerdem dauernd durch die Ausatemluft erwärmt. Trotzdem kann es auch hier zu Vereisungen kommen, weil die in der 1. Stufe stark abgekühlte Luft sich auf dem Weg durch den Mitteldruckschlauch nicht wesentlich erwärmt. Entstehendes Eis aus der Feuchtigkeit der Ausatemluft und aus eingedrungenem Wasser kann den Öffnungsmechanismus blockieren. Speziell Lungenautomaten mit Kunststoffgehäuse sind hier betroffen wegen der schlechten Wärmeleitung. Einige Automaten haben spezielle Wärmeleitbleche, die sich durch die Ausatemluft erwärmen und diese Wärme an den Öffnungsmechanismus weiterleiten.

Zweischlauchautomaten sind aufgrund der großen Gehäuseoberfläche weitgehend vereisungssicher. Mit der Entwicklung immer leistungsfähigerer Atemregler haben auch die Probleme mit der Vereisung zugenomen. Sie beschränken sich aber nicht auf Tauchgänge im Winter! Grundsätzlich ist bei Temperaturen unter 10°C mit einer Vereisung zu rechnen. Diese Temperaturen sind in unseren einheimischen Gewässern unterhalb einer Tiefe von 20m ganzjährig anzutreffen. Das wird wohl auch mit der Hintergrund sein, warum in der neuen Euronorm EN 250 eine Prüfung auf Vereisungsanfälligkeit vorgeschrieben ist.

Dabei wird das Gerät in ein Wasserbad mit 4°C gelegt und bei einem Druck von 6 bar (50m Wassertiefe) 5 Minuten lang mit jeweils 25 Hüben pro Minute mit 2,5 l Volumen beatmet. Das entspricht einem Atemminutenvolumen von 62,5 l. Das Gerät darf dabei nicht blockieren oder länger als 10 Sekunden frei abströmen. Da die Ursachen für eine Vereisung vielfältig sind, ist dieser Test keine Garantie für eine Vereisungssicherheit.

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